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Was wurde untersucht?

Wenn Du dieses Experiment gerade selbst durchgeführt hast, kannst Du unten die Ergebnisse sehen. Ansonsten sind dort fiktive (aber typische) Ergebnisse dargestellt. Zunächst wollen wir aber noch einmal genauer erklären, was eigentlich untersucht wurde.

Als Beispiel hatten wir ja die beiden Wörter "Packen" und "Backen" genommen und festgestellt, dass diese sich nur in einem einzigen Merkmal, der Stimmhaftigkeit (oder Stimmlosigkeit) des ersten Konsonanten unterscheiden. Da als zweiter Laut direkt der Vokal "a" folgt, unterscheiden sie sich sogar nur darin, wie bald nach Beginn des ersten Konsonanten die Stimmbänder anfangen zu schwingen. Diese Zeitdauer hatten wir Voice-Onset Time genannt.

Für das Experiment haben wir nun das Wort "Packen" aufgenommen und in der Aufnahme jeweils kurze Stücke aus der kurzen Stille zwischen dem "p" und dem "a" herausgeschnitten. In der unten stehenden Tabelle kannst Du in der linken Spalte sehen, wie genau die daraus resultierenden Aufnahmen "aussehen" (Du kannst die Bilder anklicken, um sie zu vergrößern). Jede dieser Aufnahmen haben wir Dir zehn Mal vorgespielt und Dich gebeten, in jedem Fall zu entscheiden, ob sich das Wort eher wie "Packen" oder eher wie "Backen" anhört. In der mittleren und rechten Spalte der Tabelle kannst Du erkennen, wie oft Du in diesen Fällen die eine oder die andere Antwort gegeben hast.

Was kommt dabei heraus?

Voice-Onset Time in Millisekunden B-Antworten (stimmhaft: "backen") P-Anworten (stimmlos: "packen")
Schallwellen 35 (anhören ») 0 / 10 10 / 10
Schallwellen 28 (anhören ») 1 / 10 9 / 10
Schallwellen 21 (anhören ») 5 / 10 5 / 10
Schallwellen 14 (anhören ») 9 / 10 1 / 10
Schallwellen 7 (anhören ») 10 / 10 0 / 10

Zunächst einmal kann man in der Tabelle erkennen, dass Du bei geringer Voice-Onset Time häufiger den Eindruck hattest, das Wort "Backen" gehört zu haben, bei langer Voice-Onset Time häufiger das Wort "Packen". Als erstes Ergebnis können wir also festhalten, dass es tatsächlich reicht, die Voice-Onset Time zu verändern, um aus einem "p" ein "b" zu machen.

Im folgenden Diagramm sind die Ergebnisse noch einmal grafisch dargestellt:

Ergebnis-Diagramm

Die roten Kreuze zeigen dabei den Prozentsatz der "B"-Antworten (wie oft Du also den Eindruck hattest, das Wort "backen" gehört zu haben), die grünen Punkte entsprechen dem prozentualen Anteil der "P"-Antworten. Von links nach rechts wird die Voice-Onset Time größer. Da Du Dich in jedem Fall für das eine oder andere entscheiden musstest, addieren sich die Prozentwerte jeweils zu 100.

Ein weiteres Ergebnis erkennt man im Diagram besser als in der Tabelle: Der Bereich in dem der Höreindruck nicht eindeutig war, in dem Du also mal zu "p" und mal zu "b" tendiert hast, ist ziemlich klein. Obwohl die Voice-Onset Time kontinuierlich in vielen kleinen Schritten verändert wurde, "kippt" Dein Höreindruck recht abrupt. Du kannst Dir das wie bei einer Waage vorstellen: Wenn die Gewichte auf beiden Seiten gleich groß sind, reicht schon ein kleines zusätzliches Gewicht auf der einen Seite, um die Waage vollständig kippen zu lassen. Der Bereich, in dem sich beide Seiten sprichwörtlich "die Waage halten", ist klein.

Was bedeuten die Ergebnisse?

Die Unterscheidung von "b" und "p" beruht auf der Unterscheidung in einem einfachen Merkmal. Ein Merkmal, das wir auf einfache Weise manipulieren können. Dass unser Höreindruck abrupt von der einen zur anderen Wahrnehmung "kippt", spricht dafür, dass unser Wahrnehmungsappart darauf angelegt ist, dieses Merkmal als "entweder-oder" wahrzunehmen. Entweder wir hören ein stimmhaftes "b" oder ein stimmloses "p". Künstlich können wir auch Laute erzeugen, die "dazwischen" liegen, bei denen wir uns nicht sicher sind, ob es sich eher um ein "b" oder eher um ein "p" handelt. Dieser unsichere Bereich ist allerdings so klein, dass wir praktisch immer eindeutig entscheiden können, um welchen Laut es sich handelt. Wir können also sagen, dass dieses Merkmal dichotom ist: Ein Laut ist entweder stimmhaft oder stimmlos, dazwischen gibt es nichts.

Der Wahrnehmung von Sprache liegen viele solcher zweiwertigen oder "dichotomen" Merkmale zugrunde. Ein weiteres Merkmal ist zum Beispiel "Vokal-Kein Vokal". Die Unterscheidung "nasal-nicht nasal" dürfte manchen aus dem Französisch-Unterricht bekannt vorkommen. Das Experiment zur Voice-Onset-Time zeigt einen einfachen Merkmalserkennungsmechanismus, der extrem schnell ist (normalerweise verständigen wir uns mit ca. 5-12 Lauten pro Sekunde), automatisch abläuft, d.h. keine Aufmerksamkeit erfordert (dadurch kann man sich auf das Verstehen von Bedeutung konzentrieren) und eine Grundlage im Gehirn hat.

Diese Merkmalserkennungsmechanismen ermöglichen die schnelle und automatische Lautidentifikation und bilden damit die einfachste Stufe der Sprachwahrnehmung. Das Verständnis sprachlicher Bedeutung erfordert Aufmerksamkeit und ist nur möglich, weil die Lautunterscheidung und Lautidentifikation ohne Aufmerksamkeitszuwendung erfolgt.

Weiterführende Informationen »

 
 
Verantwortlich für diese Seite:
Inhaltliche Konzeption und Text: Hans-Georg Bosshardt - Programmierung Experiment: Christoph Fenner - Programmierung Auswertung und weiterer Text: Thomas Friedrichsmeier
 
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Letzte Änderung: 09.11.2006 | Impressum | Haftungsausschluss | Kontakt | Rückfragen an BiopsyWebmaster@lists.rub.de