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Wiederholtes und einfaches Gefangenen-Dilemma |
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Das Spiel, das wir Dich gerade haben um Geldbeträge spielen lassen, ist
das sogenannte "wiederholte Gefangenen-Dilemma". "Wiederholt"
nennt man es deshalb, weil es über mehrere Runden läuft und somit
beiden Spieler die Möglichkeit bietet, sich für die vorhergehende
Runde zu revanchieren. Die Basisvariante ist das "einfache Gefangenen-Dilemma".
Hier ist das Spiel an sich genau gleich, nur spielt man es nur eine Runde lang.
Um Dir die Grundprinzipien dieses einfachen Spiels näherzubringen, empfiehlt
es sich mit der einfachen Variante zu beginnen.
Rekapitulieren wir noch einmal kurz das Reglement. Wir haben 2 Spieler, die
sich miteinander ohne Weiteres nicht verständigen können und einen
möglichst hohen Betrag für sich zu erzielen suchen. Beide haben sozusagen
2 Kärtchen vor sich liegen, auf dem einen steht "ich arbeite zusammen",
auf dem anderen "ich verweigere die Zusammenarbeit". Beide Spieler
wählen jeweils eines ihrer Kärtchen aus und erst nachdem die Bank
beide Entscheidungen erhalten hat, erfahren beide Spieler die Wahl des anderen.
Dann zahlt die Bank die Gewinne und die Strafen aus, die Du rechts in dem 4-Felder-Schema
siehst.
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Wo ist da überhaupt das Dilemma? |
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Das Menschenbild, das dieser experimentellen Spielsituation zu Grunde liegt,
ist ein eher pessimistisches, das beiden Spielern grundsätzlich egoistische
Ambitionen (den eigenen Gewinn zu maximieren) unterstellt. Wenn man bedenkt,
daß es 1950, also kurz nach dem 2. Weltkrieg, entwickelt wurde, überrascht
dies nicht sonderlich.
Sehen wir uns das 4-Felder-Schema nochmal etwas genauer an und stellen uns vor, was einem
Spieler durch den Kopf geht. Hat der andere Spieler die Karte der Verweigerung
gezogen, so wäre die beste Möglichkeit, die man noch hat, ebenfalls
die Zusammenarbeit zu verweigern. Damit macht man zwar keinen Gewinn, aber man
zahlt nur eine sehr geringe Strafe. Hat der andere Spieler jedoch die Karte
Zusammenarbeit gewählt, so wäre es wieder die beste Möglichkeit,
die Zusammenarbeit zu verweigern, denn man selbst würde dadurch eine hohe
Summe erreichen, höher jedenfalls als die 300 Euro für beiderseitige
Zusammenarbeit.
Kurz: egal wie der andere sich verhält, für einen "vernünftig"
handelnden Spieler wäre es in der einfachen Variante immer die beste Alternative,
die Zusammenarbeit zu verweigern. Und da beide so denken, werden sie also beide
die geringe Strafe zahlen, obwohl jeder hätte 300 Euro bekommen können.
Daher das "Dilemma".
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Der Clou der Wiederholung |
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Wirklich spannend wird das Spiel allerdings erst, wenn es sich wiederholt.
Damit haben beide Spieler, wie oben schon erwähnt, die Möglichkeit,
sich zu bedanken oder sich zu rächen. Auf Dauer können beide Spieler
gewinnen und zwar ganz auf Kosten der Bank. Beide Spieler haben die Möglichkeit,
sich Verhaltensstrategien zuzulegen, nach denen sie ihre Entscheidungen fällen.
Ein namenhafter Forscher in diesem Bereich (Axelrod) hat sich in den 80'er Jahren
die Mühe gemacht, zahlreiche verschiedene Strategien in einem Computerturnier
gegeneinander antreten zu lassen (nähere Informationen dazu findest Du in der unten angegebenen Literatur
). Am erfolgreichsten stellte sich dabei eine Strategie heraus, die wir alle
kennen und in vielen Situationen auch beherzigen: Wie-Du-mir-so-ich-Dir (engl.:
Tit-for-Tat). Du kannst das Spiel gerne nochmal spielen und diese Strategie
benutzen, indem Du im ersten Zug zusammenarbeitest (falls Du als erster spielst)
und von da an einfach nur den vorherigen Zug Deines Mitspieler kopierst. Du
wirst sehen, daß Du relativ hohe Beträge erzielen wirst, vor allem
dann, wenn auch Dein Mitspieler diese Strategie befolgt.
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Wieso heißt dieses Spiel eigentlich Gefangenen-Dilemma? |
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Diese Bezeichnung entstammt einer analogen Situation, die man gern dazu benutzt,
die Quintessenz dieses Spiels zu verdeutlichen. Hier geht es nicht um Geldbeträge,
sondern es geht um Gefängnisstrafen:
Zwei Bankräuber wurden gefasst, jedoch nicht auf frischer Tat und leider
haben die Polizeibeamten nur grobe Indizien, die nicht zu einer Verurteilung
wegen Bankraubes ausreichen. Also beschließen die Beamten, beide Täter
getrennt voneinander zu verhören. Wenn der eine gesteht (die Zusammenarbeit
mit seinem Komplizen verweigert), der andere aber schweigt (d.h. zusammenarbeitet),
so tritt für den Geständigen die Kronzeugenregelung in Kraft, d.h.
er kommt frei, der schweigsame jedoch für 10 Jahre hinter Gitter. Wenn
jedoch beide gestehen (beiderseitige Verweigerung), so erhalten sie einen Bonus
dafür, daß sie ihre Tat zugegeben haben und müssen beide für
5 Jahre ins Gefängnis. Wenn jedoch beide leugnen und bezüglich der
Tat schweigen (beide zusammenarbeiten), dann können ihnen die Beamten nur
einen minderschweren Verstoß, z.B. das Besitzen einer Schusswaffe, nachweisen,
was für beide nur ein Jahr Gefängnis bedeuten würde. Wie wird
sich nun der Komplize verhalten? Wird er schweigen oder sich von der Kronzeugenregelung
verleiten lassen?
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Wo finden wir Gefangenen-Dilemmata in unserer Umwelt? |
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Sicherlich hast Du auch schon überlegt, wo wir solche Dilemmata finden
und hast festgestellt, daß wir davon in Massen umgeben sind. Hier
möchten wir nur einige Beispiele aufzeigen:
Das Gefangenen-Dilemma im Urlaub
Stelle Dir folgende Situation vor:
Dein Urlaub ist vorbei und Du wartest am Flughafen von Palma
de Mallorca auf Deinen Flug, der erst in einigen Stunden abheben wird. Dein
Magen knurrt und Du beschließt das kleine Restaurant in der Flughafenhalle zu
nutzen. Auf dem Weg dorthin fallen Dir bereits die vielen mißmutigen Gesichter
der bisherige Gäste auf, einige wirken sogar äußerst erregt und empört,
schimpfen vor sich hin. Egal, denkst Du Dir, ich habe Hunger.
Das Restaurant ist natürlich reine Selbstbedienung mit
äußerst wenig Personal hinter den verschiedenen Theken. Das wenige Personal
wirkt auch genauso wenig motiviert und beantwortet nur widerwillig die Fragen
einiger Gäste. Die Auswahl ist zwar groß, aber die Portionen sehr klein und
äußerst einfach (z.B. ein Hot-Dog besteht aus einem alten Brötchen mit einer
simplen Bockwurst, nebenbei darf man sich Ketchup oder Senf dazu selbst drauf
quetschen). Viel schlimmer noch als das Essen sind dagegen die Preise, denn die
sind im Gegensatz zum Essen gesalzen. Der oben beschriebene Hot-Dog kostet
beispielsweise an die 6 Euro.
Am Ende sitzt Du selbst mit Deinem spärlichen Essen für teuer
Geld an einem der (dreckigen und nicht-abgeräumten) Tische, blickst missmutig
drein und schimpfst wahrscheinlich auch vor Dir hin. Die Frage lautet also: wie
können die Betreiber sich das erlauben? Sie bieten schlechten Service,
mangelhafte Ware für absolute Wucherpreise und sind nicht pleite gegangen?
Die Antwort findet man im Gefangenen-Dilemma. Restaurants in
Deinem Heimatort spielen das wiederholte Spiel. Sie wissen, daß nur zufriedene
Gäste wieder kommen und auch positiv ihren Freunden und Bekannten über die
Restaurantleistung berichten, daher versuchen sie, mit ihren Kunden zu
kooperieren, sie zufrieden zu stellen.
Anders dagegen das Flughafen-Restaurant. Die Gäste sind zum
allergrößten Teil nur einmal im Leben dort, potentielle Stammkunden gibt es
nicht oder nur zu einem vernachlässigbaren Prozentsatz. Die Betreiber spielen
also das Gefangenen-Dilemma in der einfachen Version und handeln im egoistischen
Sinne vernünftig: sie verweigern ihren Gästen die Zusammenarbeit und maximieren
damit ihren Gewinn auf Kosten ihrer Mitspieler.
Das Gefangenen-Dilemma in der Freundschaft
Ein Freund oder eine Freundin von Dir findet eine CD tierisch
klasse, die sie oder er bei Dir gehört hat. Sie oder er fragt Dich, ob Du sie
ihm/ihr nicht mal ausborgen könntest. Doch Du erinnerst Dich daran, daß er/sie
bereits 2 CD's von Dir hat. Eine hat er/sie verschludert aber Dir vor Monaten
versprochen, sie zu suchen und dann wieder mitzubringen, die andere CD hat
er/sie selbst weiter verliehen, ohne Dich zu fragen. Davor hatte er/sie Dir
schon einmal eine ausgeliehene CD wieder zurückgegeben, doch die Hülle war an
einer Stelle gebrochen und die CD hatte einen Riesenkratzer neben vielen
Fingerabdrücken auf der Unterseite.
Dir steht nicht mehr der Sinn nach Zusammenarbeit und daher
lügst Du einfach: diese CD wäre nicht Deine, sondern Du müsstest sie morgen
wieder zurückgeben. In Deinen Gedanken hat die Freundschaft dadurch enorm
gelitten, es ist einfach kein Verlass. Nicht so wie die Freundschaft mit einer
anderen Person, die dagegen immer zuverlässig war. Ihr verleihst Du Deine CD's
gerne wieder, immerhin hast Du auch schon zwei von Ihr ausborgen dürfen und wie
ein rohes Ei behandelt. Diese Person ist seit langem schon Dein/e beste/r
Freund/in, die andere ist nur ein/e "Bekannte/r".
Das Gefangenen-Dilemma im Krieg
(Das Nachfolgende findet sich in weitaus detailierter Fassung im Buch von
Richard Dawkins, siehe unter
Literatur)
Der erste Weltkrieg gehört zu den grausamsten Verbrechen der
Menscheitsgeschichte, viele Millionen fanden darin den Tod. Doch trotz all
dieser Grausamkeit gab es an vereinzelten Frontabschnitten des Grabenkrieges an
der Westfront Siege der Vernunft:
Engländer und Deutsche lagen sich nur wenige dutzend
Meter voneinander entfernt in Ihren Gräben gegenüber. Sie wussten, daß
es die Generalität nicht wesentlich interessierte, ob ein Soldat sein
Leben für ein Stück verwüstetes Schlachtfeld hergab, diese war nur am
Tod interessiert. Für die einzelnen Soldaten vor Ort war dies natürlich
durchaus relevant, wollten sie doch nichts lieber als in Frieden nach
Hause gehen. Heute weiß man leider nicht mehr, welche Seite oder welcher
Mensch damit begann, aber es bildete sich tatsächlich an bestimmten
Frontabschnitten ein Scheinkrieg heraus, bei dem absichtlich daneben
geschossen wurde. Es folgen zwei zeitgenössische Berichte, der erste ein
Bericht eines deutschen Soldaten zur britischen "Abendkanone", die mit
uhrwerkartiger Regelmäßigkeit abgefeuert wurde: |
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Um sieben kam er (der Schuß) - so pünktlich, daß
man seine Uhr danach stellen konnte... Er hatte immer dasselbe Ziel, seine
Schußweite war genau, niemals wich er seitlich ab, ging über das Zeil hinaus
oder war nicht weit genug... Es gab sogar einige neugierige Kerle, die kurz vor
sieben ... hinauskrochen, um ihn explodieren zu sehen.
Der zweite Bericht stammt von der britischen Seite und zeigt
die Kooperation der "Gegner":
So regelmäßig waren sie (die Deutschen) in ihrer
Wahl der Ziele, dem Zeitpunkt der Schüsse und der Anzahl von Runden, die
gefeuert wurden, daß ... Oberst Jones ... auf die Minute genau wußte, wo daß
nächste Geschoß einschlagen würde. Seine Berechnungen waren sehr exakt, und er
war in der Lage, Risiken einzugehen, die nicht eingeweihten Stabsoffizieren sehr
groß erschienen, wußte er doch, daß die Schießerei aufhören würde, bevor er den
unter Feuer genommenen Platz erreichte.
Die Generalität war zufrieden gestellt, erhielt sie doch
ihren Krieg. Doch weise war der, der als erster damit begann, die Vernunft
arbeiten zu lassen.
Das Gefangenen-Dilemma unter Tieren und Pflanzen
(Auch dieses Beispiel ist im
Buch von Richard Dawkins zu finden.)
Zwischen Feigenbäumen und Gallwespen besteht eine
kooperative Beziehung. Die Feige an sich ist nicht wirklich eine Frucht,
sondern mehr ein Gewächshaus für viele bestäubungswillige Blüten. Die
Bestäubung übernehmen die sehr kleinen Gallwespen, die durch eine
winzige Öffnung in der Feige in sie eindringen können. Darin legen sie
die Eier ihrer Larven, die sich von einige der Blüten ernähren,
währenddessen bestäubt die Wespe die anderen. Solange beide
zusammenarbeiten, funktioniert das auch sehr gut. Anders sieht es
jedoch aus, wenn die Gallwespe ihre Arbeit nicht erfüllt und im Sinne
des Feigenbaumes die Zusammenarbeit verweigert, indem sie zu viele Eier
ablegt und dafür zu wenige Blüten bestäubt. Der Feigenbaum revanchiert
sich, indem er dann die Feige in einem frühen Stadium absterben läßt.
Damit stirbt auch die darin enthaltene Nachkommenschaft der Wespe. |
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Weiterführende Informationen »
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